RBB Müritz beste Schule Deutschlands
Schulkonzept wurde mit bundesweitem Preis gewürdigt
Eine Reportage unserer Gastautorin Dörte Rahming
Hier piept es wie auf einer Intensivstation. Oder es riecht es nach Holz wie in einer Tischlerei. Und zwischendurch klingt eine Melodie durch die Räume – die Pausenklingel. Dies ist die beste Schule Deutschlands, offiziell ausgezeichnet im September 2022: das Regionale Berufliche Bildungszentrum Müritz (RBB Müritz).
Zusammenarbeit, Kommunikation und praxisbezogenes Lernen stehen ganz oben auf der Werteskala. Das Klima ist zugewandt – angenehm für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler. Und: „Das von Wertschätzung und Empathie getragene Lernklima trägt zum hohen Maß der Unterrichtsqualität bei“, befand die Jury. Das bestätigen die Tischler-Azubis Martin Schötz und Leo Dubbe. Ihnen ist besonders wichtig, dass die Lehrerinnen und Lehrer auf die Vorschläge der Schülerinnen und Schüler eingehen, und dass langjährige Praktikerinnen und Praktiker ihre Erfahrungen weitergeben. „Die haben Ahnung, da kann man das gut aufnehmen“, sagt Martin. „Ich freu mich immer, hier zu sein.“
Das RBB Müritz in Waren besteht schon 25 Jahren, einen zweiten Standort gibt es seit 70 Jahren in Malchin. Derzeit lernen insgesamt knapp 1.500 Schüler hier, ungefähr zur Hälfte junge Männer und junge Frauen. „Das sorgt in unseren Augen mit dafür, dass wir hier ein sehr gutes Schulklima haben“, sagt Birgit Köpnick, seit 2009 die Schulleiterin.
Die allermeisten, die hier lernen, sind zwischen 15 und 19 Jahre alt, aber es gibt auch einige über 40. „Das ist eine große Bereicherung, weil viele Erkenntnisse aus verschiedenen Lebensbereichen mit in die Schule gebracht werden. Einige haben zum Beispiel schon Kinder und können ganz andere Erfahrungen weitergeben – aber eben von Schüler zu Schüler.“
Manche erwerben hier ihren zweiten oder gar dritten Berufsabschluss – so wie Andreas Laars. „Ich habe zuerst Koch gelernt, später Altenpfleger“, erzählt er. Nach fünf Jahren in der Intensivpflege und einem Studium gehört er heute dem etwa 70-köpfigen Lehrerkollegium an.
Neben der Pflege werden am RBB Müritz zahlreiche Berufe aus Bereichen wie Handwerk oder Technik, der Pflege, Gesundheit, Ernährung und Hauswirtschaft, Wirtschaft und Verwaltung gelehrt, außerdem gibt es Bildungsgänge der Berufsvorbereitung und das Fachgymnasium.
Ein besonderer Plan fürs ganze Jahr
Eine große Errungenschaft ist die didaktische Jahresplanung, die auch von der Jury des Deutschen Schulpreises gewürdigt wurde: „Die Schule bereitet ihre Schülerinnen und Schüler konsequent auf den Arbeitsmarkt der Zukunft vor. Dies gelingt ihr mit … fachpraktischem Unterricht, der für berufsbildende Schulen in Mecklenburg-Vorpommern nicht verpflichtend ist.“
Diese didaktische Jahresplanung wird gemeinsam von dem Kollegium erarbeitet –orientiert an den Rahmenlehrplänen, aber themenoffen und jederzeit zu erweitern, erläutert Schulleiterin Köpnick. „Heutige Schülerinnen und Schüler müssen in der Arbeitswelt von morgen ankommen, und auch die unterliegt ständiger Veränderung. Deshalb wollen wir sie in einen handlungsorientierten Unterricht bringen.“
Die Methoden und Inhalte sind vielfältig: Gruppenarbeit oder Stationsbetrieb, Lebenssituation und Medieneinsatz. Ein Beispiel aus dem Bereich Berufsvorbereitung: die erste eigene Wohnung. Um sie zu bekommen, muss vielleicht schriftlich auf eine Anzeige reagiert werden. Um einen Teppich zu kaufen, muss dessen Fläche berechnet werden. Um die Kosten im Blick zu behalten, braucht es Kalkulation. „Dabei verfolgen alle Fachlehrkräfte das Ziel gemeinsam - das stärkt auch unsere eigene Teamarbeit.“ Begleitet werden diese Unterrichtsangebote durch ein schulinternes Qualitätsmanagement. „Dadurch entstehen Einheitlichkeit und Verbindlichkeit.“ Dabei spielen Respekt, Toleranz und Vertrauen eine wesentliche Rolle.
Praxisausbildung mit Spaßfaktor
Selbst etwas zu schaffen - zusammen mit anderen -, das finden auch Martin Schötz und Leo Dubbe wichtig. Die beiden absolvieren in Waren den theoretischen Teil ihrer Tischler-Ausbildung. „Aber das ist hier alles sehr praxisorientiert“, meint Leo. „Man hört nicht nur stumpf dem Lehrer zu, schreibt ´ne Arbeit, und dann kommt das nächste Thema. Sondern die verschiedenen Lernfelder werden verbunden und immer wieder aufgegriffen.“
Im sogenannten FabLab können die Schülerinnen und Schüler gleich anwenden, was sie gerade gelernt haben. Eine Aufgabe für die ganze Klasse war: ein Podest, das auch als Regal genutzt werden kann. Am Laptop entstanden Zeichnungen, gemeinsam haben sie den Entwurf optimiert und in der hauseigenen Werkstatt gebaut. „Da ist ein fachlicher Austausch, denn andere Leute haben ja andere Ideen“, sagt Leo. „Das ergänzt sich gegenseitig“, fügt Martin hinzu.
Fehler sind erlaubt
Ein paar Türen weiter liegen mehrere Patientinnen und Patienten in ihren Betten und warten, dass sie betreut werden. Wie auf einer Intensivstation piept ein Gerät ununterbrochen, jemand muss sich kümmern. Wenn dabei Fehler passieren, ist es aber kein Problem – es sind nur Puppen. Denn dies ist das Simulationslabor: In zwei Zimmern, wirklichkeitsnah ausgestattet mit Pflegebett, Beatmungsgerät und sogar Familienfotos, lernen die Pflegeschüler den Umgang mit Menschen und Maschinen.
Auch hier können theoretische Kenntnisse schnell in der Praxis angewandt werden: Blut abnehmen, Verbände wechseln, Blutdruck messen. „Das lässt sich ja viel besser merken, wenn es gleich angewandt wird“, weiß Lehrer Andreas Laars, der das Labor leitet. „Uns gibt es mehr Sicherheit“, meint Nicole Heidbrink, die zur Pflegefachkraft ausgebildet wird. „Und es können auch schwierige Situationen simuliert werden“, ergänzt Mitschülerin Jasmin Rosenberger. Auch in diesem Fachbereich sind die Lehrkräfte für alle Fragen offen, bestätigen die beiden.
Gute Erfahrungen verteilen
Das Regionale Berufliche Bildungszentrum Müritz wurde unter etwa 80 Bewerbungen zur „Besten Schule Deutschlands“ ausgewählt. Kolleginnen und Kollegen aus dem Landkreis und aus MV haben sich bereits über diese guten Erfahrungen informiert, um sie vielleicht an ihre eigenen Bedingungen anzupassen. Anfragen liegen sogar aus Österreich und der Schweiz vor.